Der Bootsbau ist in seiner traditionell handwerklichen Ausrichtung im Gegensatz zu der marktbeherrschenden Fertigung von Serienbooten prädestiniert für Einzelanfertigungen. Auf die Einzelanfertigung der Werkstücke von Masten und Spieren oder anderer Ausrüstungsteile soll hier nicht eingegangen werden, da diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Es soll hier anhand bisher durchgeführter Einzelbauten von Booten ein kurzer Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Realisierung einzelner Projekte gegeben werden.
Auf das erste als Einzelfertigung im Jahr 1911 vom späteren Werftgründer Paul Rathje gebauten Segelboot folgten in den 1920er bis in die 1950er Jahre der Bau von Motorbooten und Segelyachten, die alle in traditioneller Bauweise aus Holz gefertigt wurden. Dies waren neben Einzelbauten für Privatkunden in den 1930er Jahren vor allem 50er Seefahrtskreuzer sowie Kutter und Pinassen und in den 1950 Jahren V-Boote, Pinassen und zwei 6,5KR-Kreuzer für die Bundesmarine sowie 20 Jollen für den benachbarten British Kiel Yacht-Club.
Yachten und Motorboote aus Holz als individuelle Einzelfertigungen
Mit der allgemeinen Entwicklung von Serienbooten aus GFK und dem damit einhergehenden Rückgang des Holzbootsbaus wurden ab den 1960er Jahren in der Werft Yachten und Motorboote aus Holz ausschließlich als individuelle Einzelfertigungen gebaut. Neben einzelnen Kundenaufträgen wurde der Bau dieser Boote vorrangig ausgeführt, um den Auszubildenden im Bootsbau die Möglichkeit zu geben, an dem Bau eines neuen Bootes mitzuwirken, was in der Bootsbauerbranche zu dieser Zeit durchaus keine Selbstverständlichkeit mehr war. So wurde für den Bau dieser Boote immer dann Personal eingesetzt, wenn das schwerpunktmäßig betriebene Reparaturgeschäft dies zeitlich erlaubte, dann aber mit umso mehr Passion der betreffenden Bootsbauer. So konnte der Bau einer Yacht bis zur Fertigstellung durchaus auch einmal mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Details der technischen Ausrüstung, der Inneneinrichtung und des Decklayouts wurden mit dem Fortgang der Arbeiten modifiziert und entwickelt. Kreativität und aktives Mitdenken war hier von allen Beteiligten gefragt!
Liebhaberstücke aus Vollholz-Mahagoni
Es handelt sich bei den vorgenannten Projekten – neben einigen kleineren Motorbooten – um klassische Fahrtenyachten, schon zum Zeitpunkt ihres Baus absolute Liebhaberstücke aus Vollholz-Mahagoni. Eine solche Yacht stach und sticht immer noch von der großen Zahl seriell gefertigter GFK-Yachten hervor und zieht in jedem Hafen umgehend gleichermaßen das Interesse von Kennern und die Blicke von „Sehleuten“ auf sich. Bei einer Rumpflänge von 10 bis 13 m verfügen die Yachten nicht nur über sehr gute Segeleigenschaften, sondern auch über ein breites Lauf- und Vordeck aus Teak-Stäben und neben der üblichen Vorderkajüte auch über eine geräumige Achterkajüte, so dass – besonders nach damaligen Gesichtspunkten – vergleichsweise viel Platz und Bequemlichkeit für vier bis fünf Personen vorhanden war, und auch auf einem mehrwöchigen Törn genug Freiraum für jedes Mitglied der Bordbesatzung geboten wurde. Gemeinsam ist diesen Yachten, dass sie eine gelungene Kombination aus hochwertiger traditioneller handwerklicher Fertigung, viel Spaß am Segeln, Bequemlichkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit darstellen.
Als Einzelbauten wurden auch einige Yachtbeiboote gebaut. Die Bauweise erfolgte in Mahagoni-Bootsbau-Sperrholz in Kombination mit Mahagoni-Vollholz. Auch hier bietet sich ein breites Spektrum der Realisierung unterschiedlicher Konstruktionen an.
Bau der Segelyacht „Classica“
Besonders erwähnt werden soll hier noch der Bau der Segelyacht „Classica“ in den 1990er Jahren. Mit der Fertigung des Rumpfes bot die Werft einem ihrer Gesellen die Möglichkeit zur Ablegung der Meisterprüfung. Später wurde die Yacht dann in mehrjähriger Arbeit von Gesellen und Auszubildenden fertiggestellt, war lange in Werftbesitz und wurde dann – wie auch alle Vorgängeryachten – an einen Kunden verkauft. Rumpf wie Innenausbau erfolgten in bestem Mahagoni mit einem Teakdeck und einem Mast aus Spruce.
Fertigung von Einzelstücken mit modernen Materialien
Neben diesen traditionellen Fertigungen bietet die Werft auch das Know-How und Equipment für die Fertigung von Einzelstücken mit modernen Materialien. So wurde im Jahr 2018 ein motorbetriebener Katamaran abgeliefert, der es einem Rollstuhlfahrer ermöglicht, selbständig an Bord zu fahren und das Boot zu steuern. Die Konstruktion wurde von der Fachhochschule Kiel entwickelt und auf der Werft aus Sandwich-Laminat mit Schaumkern und Glasgelege mit Epoxidharz gebaut. Der Antrieb erfolgt über zwei elektrische Strahlruder.
Bau der Kieler Hansekogge
Eine andere Sonderanfertigung stellt der Bau der Kieler Hansekogge dar, der über den Zeitraum von vier Jahren auf Initiative und im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Verein Jugend in Arbeit Kiel umgesetzt wurde. Mit einer Rumpflänge von 23,23 m und einer Breite von 7,78 m ist dies das größte hier gefertigte Schiff. Dem Bau dieser Sonderanfertigung wäre ein eigenes Kapitel zu widmen.
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Ein Beitrag aus der
Rathje Werft in Kiel
100 Jahre Tradition im Bootsbau und Technologie von morgen
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