Die Rathje Werft als Spezialist für Holzbootbau, Traditionsschiffe und Yachten hat dieses Jahr drei Azubis eingestellt und ist immer wieder offen für Praktikanten. Sie kommen, wie die hier berichtende Praktikantin, oft aus ganz Deutschland, hier Süd-Schwarzwald.
Hier der ungekürzte Eindruck:
Kurz vor 7 Uhr. Ankommen, alle stehen im Kreis zusammen, trinken Kaffee, rauchen. Mit wenigen Worten werden die Arbeiten für den Tag besprochen. Die Gruppe löst sich auf, jeder geht an seinen Arbeitsplatz.
Traditionsschiff Ethel von Brixham
Mein erster Tag fängt mit einer Führung durch die verschiedenen Hallen und Räume der Werft an. Beginnend in dem beheizten Essensraum, über die Garderobe, die Treppe hinunter in eine Arbeitshalle mit weiteren Spints für Werkzeuge, mit mehreren Werkbänken. Durch zwei Schwingtüren kommen wir in den Maschinenraum, in dem jegliche Holzbearbeitung stattfindet. Noch ist es dunkel, und das kalte Licht lässt die nächste Halle, belegt mit allein zwei Booten, riesig erscheinen. Vorbei an dem Magazin, der Schlosserei, durch eine weitere Halle, kommen wir raus in den Yachthafen. In dem stillen Wasser liegen die Boote wie schlafend da, überzogen von der Nässe des Nachtregens. Als letztes stehen wir zwischen dem Gerüst um Ethel von Brixham. Sie wurde 1890 in Brixham als Sailing-Trawler erbaut und wird heute als deutsches Traditionsschiff betrieben. In den kommenden zwei Wochen wird das hier mein Arbeitsplatz sein.
Wir fangen morgens noch im Dunkeln an, stellen Lampen draußen auf. Langsam kommt der Tag, und viel zu spät erst merkt man, dass es hell ist und das künstliche Licht nicht mehr gebraucht wird. Und so schnell, wie es hell wird, vergehen auch die Tage. An verschiedenen Stellen und über die Zeit lerne ich, was zu einem Plankenaustausch alles dazugehört, und nach und nach formt sich das Bild eines Prozesses.
Plankenaustausch am Traditionssegler
Zuerst wird das Antifouling der Planke abgekratzt, um die Spanten ausfindig zu machen und diese beim Sägen nicht zu beschädigen. Nachdem die einzelnen Stellen aufgesägt sind, wird das Holz mit Brechstange, Hammer und Stecheisen herausgeschlagen. Die zu ersetzende Stelle wird saubergekratzt, und die Kanten werden gegebenenfalls angepasst. Jetzt kann die Erstellung eines Rees beginnen. Hierfür wird eine biegsame Holzleiste benutzt, die mittig an die Spanten genagelt wird. Auf ihr wird mithilfe eines Stechzirkels die Plankenbreite abgesetzt. Zudem werden alle Schrägen der Planke aufgezeichnet, d. h. die Winkel zwischen den Spanten und den Kanten der Planken über und unter der zu ersetzenden. Sobald die Schablone fertig ist, suchen wir eine passende Bohle. Wichtig ist hier nicht nur die Holzart und Dicke, sondern natürlich auch die Unversehrtheit des Holzes, dessen Neigung und, aus welcher Holzschicht es stammt. Spärlich fällt das Licht auf die einzelnen Stapel. Der Zollstock wandert von einer Bohle zur nächsten, sie werden umgedreht, mit dem Schein der Stirnlampe von allen Seiten genauestens betrachtet. Einmal entschieden, wird mithilfe von Straklatten das Ree auf die Bohle übertragen und die Innen- und Außenseite aufgezeichnet, die sich aus der Differenz der Schablone und der abgemessenen Schrägen ergeben. Schließlich wird die zukünftige Planke grob ausgesägt und auf die aufgezeichneten Linien gehobelt, regelmäßig unterbrochen durch das Ansetzen eines Winkels, dem Checken der Gradheit und der Linie durch ein zugekniffenes Auge. Zum Test wird die Planke an ihren Platz gehoben und, wo nötig, noch genauer angepasst. Bevor sie jedoch eingeschlagen werden kann, muss sie eine bestimmte Zeit in den Dampfofen. Zum Reinschlagen und Befestigen kommt ein kleines Team von vier bis fünf Leuten zusammen, die Werkzeuge, Daumenkräfte und Keile, werden bereits vorher gerichtet. Alles geht unglaublich schnell, aber nicht hektisch. Der schwere Hammer knallt auf die Planke, die Daumenkräfte werden nach-, die Planke mit den Schrauben festgezogen. Ihr Ende wird auf die passende Länge abgesägt, einige letzte Schläge und Schrauben, und das Werk wird gemeinsam angeschaut. Im nächsten Schritt werden die Löcher über den Schrauben gepfropft und diese, sobald der Rotleim getrocknet ist, auf die Höhe der Planke abgeschlagen. Eine begehrte und riskante Aufgabe, denn jeder nicht mit der Maserung eingeschlagene Pfropfen verpflichtet zu einem Kasten Bier. Die neue Planke wird gehobelt und geschliffen, vollends an die Form des Schiffs angepasst. Um die Fugen zu verdichten, werden diese kalfatert, sprich mehrere Lagen Hanfgarn eingeschlagen. Um die Übergänge komplett dicht zu bekommen, müssen allerdings Teile der Fugen der benachbarten Planken ausgekratzt und ebenfalls neu kalfatert werden.
Mich fasziniert, wie vielfältig die Arbeit trotz der sich stetig wiederholenden Prozesse ist, die Notwendigkeit kreativ Lösungen zu finden. So standen wir bei dem Entfernen von Bolzen aus dem Motorfundament dreimal vor demselben Grundproblem, dessen Lösung aufgrund der Lage, Festmachung und Korrosion der Bolzen, sich jedes Mal von der vorherigen unterschied. Auch die Genauigkeit, mit der gearbeitet wird, beeindruckt mich, sowie die ästhetischen Bilder, die dieses Handwerk jeden Tag kreiert: Der Motorraum von Ethel, getaucht in kaltes, dunkles Licht. Die vielen Rohre und Ecken werfen kleine Schatten und lassen ihn in seinem Gemisch aus Metall und Holz enger und dumpfer wirken. Die Stelle des Bolzens ist schwer zu erreichen und nur durch Klettern hinter den Motor, kniend und mit den Händen und dem Werkzeug verwinkelt durch Gestänge greifend, kommt man heran. Der kleine Raum wird erfüllt von den sprühenden Funken der Flex und dem leicht verbrannten Geruch, der damit einhergeht. Das kühle Licht der aufgestellten Lampe am Morgen, die nur Teile des Rumpfs und den Arbeitenden beleuchten, seinen Schatten auf das Schiff werfen. Mit jedem Positionswechsel verändert sich der Schatten, ergibt sich ein neues Bild. Morgensonne, die durch die vergilbten Fenster des Maschinenraums fällt, den umherwirbelnden Holzstaub sichtbar macht. Der ganze Raum zeigt sich in warmen orange-rötlichen Farben, die Ohrenschützer verwandeln die Maschinengeräusche in ein konstantes Hintergrunddröhnen. Im Kontrast dazu die Schlosserei, kalt und stark wirkend. Kaum natürliches Licht fällt durch die Fenster.
Ein Blick auf die Uhr unterbricht die Arbeit, alle machen sich auf den Weg in den Essensraum. Die Pausen sind geprägt von Alltagsgesprächen, Austausch darüber, woran man gerade arbeitet, manchmal nur dem Ticken der Uhr, manchmal wird der Raum aufgebrochen von Gelächter. Danach verstreuen sich alle wieder, zurück an ihre Aufgaben. Erst zu Feierabend begegnet man sich wieder, meist mit einer kalten Flasche Bier in der Hand. Mit jedem Tag fühle ich mich wohler, wird mir das Umfeld und Handwerk vertrauter, rückt mir diese neue Welt ein Stückchen näher. Und neu ist sie allemal. Nicht nur komme ich quasi aus dem Ausland (Süd-Schwarzwald), sondern hatte auch die größte Zeit meines Lebens weder etwas Booten noch mit handwerklicher Arbeit zu tun. Trotzdem wurde mir alles genau erklärt, ohne mir das Gefühl zu geben, für dumm gehalten zu werden. Vielmehr wird man mit dem Wissen angenommen, das man hat. Es wird sich Zeit genommen für Fragen, mal beantwortet durch Zeichnungen und Skizzen, mal durch genaue Beschreibungen, mal durch Vormachen. Interesse wird ernstgenommen und Wissen teilfreudig weitergegeben. Selbst in Momenten, in denen die Arbeit schnell gehen muss, wie dem Anbringen einer Planke. Dadurch wird einem nicht nur die Chance gegeben, ernsthaft zu lernen, man verliert auch die Angst vor Fehlern.
Wir danken für den Eindruck und freuen uns auf die Zukunft!
Traditionsschiffe bei Rathje
Ein Beitrag aus der
Rathje Werft in Kiel
100 Jahre Tradition im Bootsbau und Technologie von morgen
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